Buch des Monats 2017-07
Ulrich Berges & Willem Beuken
Das Buch Jesaja. Eine Einführung.
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Jahr: 2016
Seiten: 241
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-8252-4647-1
22,99 €
Das Jesajabuch kennen und vertiefen
Die prophetischen Bücher des Alten Testaments sind einerseits äußerst faszinierend mit ihrer beißenden Kritik, ihrer rhetorischen Brillanz, ihren vielfältigen Verknüpfungen verschiedener theologischer Themen und ihrer Bedeutung für gesamtbiblische Zusammenhänge. Andererseits stellen sie wegen der abrupt wechselnden Themen und Aussagen, der unterschiedlich deutlichen Bezüge auf bestimmte historische Situationen, der ungewohnten Bildsprache und der andersartigen Argumentationsgänge jede Auslegerin und jeden Ausleger vor beachtliche Herausforderungen. Zumindest für Studierende und Hauptamtliche, die ein gewisses Grundwissen im Blick auf das Alte Testament mitbringen, legen die ausgewiesenen Spezialisten Ulrich Berges (Prof. in Bonn) und Willem Beuken (Prof. em. in Leuven/Belgien) nun eine Einführung in das Jesajabuch vor, die sensibel die möglichen historischen Bezüge erhellen, Zusammenhänge innerhalb des Jesajabuches aufzeigen und mit einem bedenkenswerten methodischen Ansatz die Gedankengänge innerhalb des gesamten Buches nachzeichnen. Dass sie dabei sowohl für das gesamte Jesajabuch als auch für dessen Unterabschnitte zentrale theologische Aspekte hervorheben, ist ein besonderes Verdienst dieses Buches und hebt es aus nahezu allen anderen bekannten Einführungen heraus.
Im ersten einleitenden Teil heben Berges und Beuken hervor, wie wichtig die Wahrnehmung der prophetischen Bücher in ihrer vorliegenden Gestalt ist, zeichnen wichtige Stationen der Forschungsgeschichte nach und stellen ihre Vorstellung von der Entstehung des Jesajabuches vor. Daran schließen sich Ausführungen zu den verschiedenen Textfassungen an, wie wir sie im Masoretischen Text, in Qumran und in weiteren frühen Übersetzungen finden, und wie diese sich zueinander verhalten. Das eigene Modell der Entstehung des Jesajabuches wird dann in den Kontext weiterer prominenter Entstehungshypothesen gestellt und der Ansatz vorgestellt, prophetische Bücher als „dramatische Texte“ zu lesen, in denen „Akte“ und „Szenen“ fortlaufend eine bestimmte Handlungsabfolge („Plot“) bilden. Dies ermöglicht es einerseits den Argumentationsgang innerhalb einer größeren Einheit („Akt“) und deren Unterabschnitte („Szene“) wahrzunehmen und andererseits den großen Zusammenhang des ganzen Buches und der Querbezüge unter den verschiedenen Einheiten in die Auslegung einfließen zu lassen. Abgeschlossen wird der einleitende Teil mit einer substantiellen Zusammenstellung der Gottesnamen und –metaphern im Jesajabuch. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er einmal die Gottesnamen beachtet, die sich durch das gesamte Jesajabuch ziehen („Heiliger Israels“, „JHWH“, „Adonaj“, „JHWH Zebaoth“; Königsmetapher), zum anderen die auf bestimmte Abschnitte begrenzten Gottesnamen und –metaphern benennt. So bietet dieser Abschnitt eine komprimierte und differenzierte Theologie, die zudem das dialektische Verhältnis von Reden über Gott und Reden Gottes im Jesajabuch zusammenhält.
Im zweiten Teil nehmen Berges und Beuken dann die Leserinnen und Leser mit auf ihren Gang durch das Jesajabuch. Dabei charakterisieren sie zunächst den Argumentationsgang jedes Aktes und gehen dann detaillierter auf Gedankengang und historische Bezüge und Entstehungsgeschichte jedes Unterabschnittes („Szenen“) ein. Dieses Vorgehen wird von ihnen „diachron reflektierte Synchronlesung“ genannt, d.h. sie beziehen in ihre Auslegung des vorliegenden Textes („Synchronlesung“) seine mögliche mehrstufige Entstehungsgeschichte („diachron“) mit ein. Abgeschlossen wird jede Szene mit einer Zusammenstellung wesentlicher theologischer Aspekte. Auf diese Weise kann man einerseits den Gedankengang des gesamten Jesajabuches in einem verhältnismäßig überschaubaren Umfang kennen lernen, sich mit Thesen seiner Entstehung vertraut machen aber auch die zentralen theologischen Themen erarbeiten.
Hier wird man im Detail auch zu anderen Auslegungen und Schlussfolgerungen kommen (so z.B. zur Entstehung des Jesajabuches, zu Einteilungen der „Akte“ und „Szenen“, zur Interpretation des Gottesknechts), doch sollen und können diese den hohen Wert dieses Buches nicht schmälern: Hier verbindet sich jahrzehntelange Forschung am Jesajabuch mit einem kreativen methodischen Ansatz, der die rhetorische Brillanz des Jesajabuches in aller Differenziertheit wie in ihrem Zusammenhang erhellt und dabei die theologischen Gehalte herausstellt ohne ihre Herausforderungen zu unterschlagen. Nicht zuletzt bekommt man mit dieser Einführung eine hilfreiche Zusammenfassung der monumentalen Jesajakommentierung der Reihe „Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament“ (bisher 5 Bände zum Jesajabuch), die Willem Beuken und Ulrich Berges ebenso verfasst haben bzw. verfassen.