Die deutschsprachigen klassischen Missionsgesellschaften
Schon 1780 war in Basel die Deutsche Christentumsgesellschaft gegründet worden. Nachdem zunächst nur die Förderung lebendigen Glaubens im deutschsprachigen Bereich beabsichtigt war, kam es bald durch intensive Kontakte nach England auch zur Förderung und finanziellen Unterstützung des Missionsgedankens. Durch die Wirren der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege und den etwas späteren (als in England) Erweckungsschub in Deutschland verzögerte sich aber die praktische Verwirklichung von kontinentalen Missionsgesellschaften.
Im Jahr 1800 kam es durch den Berliner Pfarrer Johannes Jähnicke (1748-1827) zur Gründung des ersten deutschen Missionsseminars in Berlin. Genau zu der Zeit als die Aufklärung in Deutschland noch ihre Triumphe feierte und die dänisch-hallische Mission ihren Niedergang erlebte, begann er sieben junge Männer in Englisch, Latein, Homiletik und Bibelkunde für den Missionsdienst auszubilden. Innerhalb der folgenden 50 Jahre wurden von hier 80 Missionare in alle Welt geschickt. Der berühmteste davon wurde Karl Gützlaff (1803-1851), der eine visionäre Arbeit in China begann.
- 1815 kommt es zur Gründung der Basler Mission. Sie sammelte die Missionsfreunde aus der Schweiz, dem Elsass, Österreich und Süddeutschland. 1816 wurde dazu das Basler Missionsseminar gegründet. Hier wurden viele Kräfte gebündelt, so dass in den 100 Jahren bis zum 1.Weltkrieg 450 Missionare ausgesandt werden konnten. Zunächst ging man in holländische und englische Kolonialgebiete, ab 1884 dann verstärkt auch in die neuen deutschen Kolonien (Kamerun, Togo, Namibia).
- 1824 wurde die Berliner Mission aus erweckten Kreisen der preußischen Landeskirche gegründet. 1833 wurden die ersten eigenen Missionare nach Südafrika ausgesandt, wo man bis zum Ende des Jahrhunderts ca. 100 Missionare, 800 einheimische Mitarbeiter und 55.000 getaufte Christen vorweisen konnte. Später gingen Berliner Missionare auch nach Indien und China. 1833 stieß der bekehrte ex-katholische Priester Johannes Gossner zur Berliner Mission und gründet 1836 dann eine eigene Missionsgesellschaft, die Goßnersche Mission, die in den folgenden 100 Jahren fast 300 Missionare (vor allem nach Indien) aussandte.
- 1828 kam es zur Gründung der Rheinischen Mission (heute VEM). 1830 gingen die ersten Missionare nach Südafrika, später auch nach Namibia, China und Indonesien. Ludwig Nommensen (1834-1918) gründete als Missionar der Rheinischen Mission eine lebendige lutherische Volkskirche unter den Batak im muslimischen Indonesien.
- 1836 Gründung der Norddeutschen Mission, die bis heute im westafrikanischen Togo und Ghana eine kleine hingebungsvolle Arbeit betreibt.
Gemeinsam war den klassischen Missionsgesellschaften, dass sie nicht im Auftrag irgendeiner Kirche handelten. Daher lag es auch nicht in ihrer Absicht Außenstellen der Heimatkirchen zu gründen, sondern es ging ihnen einfach um die Bekehrung von Heiden. Daher konnte man auch sehr gut überdenominationell und international zusammenarbeiten. Die klassischen deutschen Missionsgesellschaften waren somit zunächst nicht durch ihre Konfession, sondern durch ihre regionale Aufteilung gekennzeichnet. In Süddeutschland unterstützten die erweckten Christen die Basler Mission, im Osten die Berliner Mission, im Westen die Rheinische Mission und Norden die Norddeutsche Mission. Die Missionare arbeiteten auf dem Missionsfeld mit Anglikanern, Reformierten, Lutheranern und Freikirchlern zusammen. Als sich aber die englischen Missionsgründungen immer stärker organisatorisch den verschiedenen englischen Kirchentümern anglichen, entstand in Deutschland die Frage, welches theologische Bekenntnis eigentlich an den deutschen Missionsseminaren unterrichtet werden sollte?
Parallel entdeckten weite Kreise der deutschen Erweckungsbewegung ihren konfessionellen Hintergrund. Es entstand eine Neubesinnung auf das lutherische bzw. reformierte Erbe. Nun wurde Mission verstärkt auch als Anliegen von Kirchengemeinden getragen. In diesen Kreisen wuchs der Wunsch, eigene Missionare nun auch bewusst in der konfessionellen Tradition zu prägen. Daher entstanden in einer zweiten Phase nach den klassischen überkonfessionellen Missionsgesellschaften nun die konfessionellen Missionen:
Die Leipziger Mission (1836)
In Sachsen gab es schon seit 1819 einen Hilfsverein für die Basler Mission. 1832 entstand in Dresden dazu eine kleine Missionsschule. Als sich 1834 zwei dieser Zöglinge weigerten, nach zur weiteren Ausbildung nach Basel zu gehen, weil sie einen calvinistischen Einfluss auf ihren lutherischen Glauben befürchteten, gründete man 1836 in Dresden eine eigene betont lutherische sächsische Missionsgesellschaft, die 1848 nach Leipzig verlegt wurde. Ihre Prinzipien waren:
- Gründung von lutherischen Bekenntnisgemeinden in Übersee
- Förderung eines ersten deutschen Lehrstuhls für Missionswissenschaft
- Ziel, dass jede deutsche lutherische Gemeinde einen Missionar unterstützt.
- Jeder Missionar braucht ein abgeschlossenes Theologiestudium, eine Zusatzausbildung (in Leipzig) und einen Freundeskreis.
- Genaue Kulturelle Anpassung der Missionsarbeit
- Man übernimmt offiziell die Arbeiten der Dänisch-Hallischen Mission.
Die Leipziger Mission erhielt ihre entscheidende Prägung durch ihren Leiter Karl Graul. Um sich ein besseres Bild von den Anforderungen im Missionsland und von der tamilischen Kultur zu machen, ging er von 1849-1853 selbst nach Indien. Er analysierte seine Erfahrungen nach seiner Heimreise in einem fünfbändigen Werk, in dem er versuchte Missionsarbeit und Wissenschaft zu verbinden. Noch kurz vor seinem Tod habilitierte er in Missionswissenschaft.
Die Neuendettelsauer Mission (1841)
Wilhelm Löhe (1808-1872) wurde 1837 lutherischer Pfarrer im kleinen fränkischen Ort Neuendettelsau, von dem er vorher gesagt hatte: „Nicht tot möchte ich in dem Neste sein!“ Als er hörte, dass deutsche Lutheraner in Nordamerika geistliche Unterstützung brauchen, gründete er 1841 eine eigene Ausbildungsstätte, aus der später Missionare nach Amerika, Australien und Neuguinea gesandt wurden. 1854 gründete er auch ein Diakonissenhaus.
Die Hermannsburger Mission (1849)
Ludwig Harms (1808-1865) übernahm 1849 die Pfarrstelle seines Vaters in seinem Heimatort Hermannsburg in der Lüneburger Heide. Davor hatte er sich lange mit dem Gedanken getragen selbst Missionar zu werden, nun als Pfarrer predigte er so leidenschaftlich für die Mission, dass sich schon nach kurzer Zeit einige junge Männer zum Missionsdienst meldeten. Deshalb eröffnete er noch im selben Jahr in Hermannsburg mit 12 Kandidaten ein Missionsseminar, das von den erweckten Kreisen der Umgebung finanziell und im gebet getragen wurde. 1857 wurden die ersten 12 Missionare ordiniert. Die Missionare gingen vor allem (bis heute) nach Südafrika um dort lutherische Gemeinden aufzubauen.
Die Breklumer Mission (1876)
Christian Jensen (1839-1900) wurde 1873 lutherischer Pastor im schleswig-holsteinischen Breklum. Hier orientierten sich die Missionsfreunde zunächst nach Basel, dann nach Leipzig und Neuendettelsau. Seit der Gründung Schleswig-Holsteins 1864 wuchs hier der Wunsch nach einer eigenen Missionsgesellschaft, die 1879 durch Jensen gegründet wurde. Die Missionare gründeten vor allem in Indien lutherische Gemeinden.