Die Evangelische Allianz gilt heute als weltweiter und regionaler Dachverband aller evangelikalen Christen in Landes- und Freikirchen. Grob gesagt. In Allianzkreisen kann mitarbeiten, wer hinter der so genannten Glaubensbasis steht. Sie lautet:
Wir bekennen uns:
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zur Allmacht und Gnade Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in Schöpfung, Offenbarung, Erlösung, Endgericht und Vollendung.
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zur göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift, ihrer völligen Zuverlässigkeit und höchsten Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung
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zur völligen Sündhaftigkeit und Schuld des gefallenen Menschen, die ihn Gottes Zorn und Verdammnis aussetzen
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zum stellvertretenden Opfer des menschgewordenen Gottessohnes als einziger und allgenugsamer Grundlage der Erlösung von der Schuld und Macht der Sünde und ihren Folgen
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zur Rechtfertigung des Sünders allein durch die Gnade Gottes aufgrund des Glaubens an Jesus Christus, der gekreuzigt wurde und von den Toten auferstanden ist
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zum Werk des Heiligen Geistes, welcher Bekehrung und Wiedergeburt des Menschen bewirkt, im Gläubigen wohnt und ihn zur Heiligung befähigt
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zum Priestertum aller Gläubigen, welche die weltweite Gemeinde bilden, den Leib, dessen Haupt Christus ist, und die durch seinen Befehl zur Verkündigung des Evangeliums in aller Welt verpflichtet ist
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zur Erwartung der persönlichen, sichtbaren Wiederkunft des Herrn Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit; zum Fortleben der von Gott gegebenen Personalität des Menschen; zur Auferstehung des Leibes zum Gericht und zum ewigen Leben der Erlösten in Herrlichkeit
In dieser Glaubensbasis werden die Kernpunkte reformatorischer Theologie (Dreieinigkeit, Schriftinspiration, Stellvertretung Jesu, Rechtfertigungslehre) verbunden mit den Kernanliegen pietistisch-evangelikaler Theologie (Bekehrung, Heiligung, allgemeines Priestertum und Evangelisation), sowie bewusst antiliberal festgehaltenen eschatologischen Lehrauffassungen (sichtbare Wiederkunft, personales ewiges Leben, leibliche Auferstehung, doppelter Ausgang des Endgerichts).
Alle näheren ekklesiologischen Fragen (Gemeindeform, Sakramentsverständnis) werden bewusst nicht angesprochen. Daher können sich konservative bekehrte evangelische Christen aus verschiedensten Gemeinden unter dieser Glaubensbasis verbinden.
Die Vorgeschichte in Schottland und England
Die Anfänge der Evangelischen Allianz gehen auf die schottische Erweckungsbewegung zurück. 1843 verließen 470 Pastoren unter Thomas Chalmers (1780-1847) die schottische Staatskirche und gründeten die Free Church of Scotland (‘the Evangelicals’). Man besann sich wieder auf die Grundwerte geistlichen Lebens. Im gleichen Jahr traf man sich aus mehreren schottischen Kirchen zu einer Versammlung in Edinburgh (Evangelicals, Baptists, Congregationalists). Man erinnerte sich an die grundsätzliche Einheit in Christus und so wurde die Idee zu einem evangelischen Kongress geboren. Darüber hinaus wollte man sich gegenüber dem wieder erstarkenden Katholizismus profilieren. So lud man 1845 aus allen protestantischen Kirchen von England, Wales, Schottland und Irland zu einem Vorbereitungstreffen für den ersten großen Allianzkongress in London nach Liverpool ein. Es kamen 216 Vertreter aus 20 Denominationen. Hier wurde sich darauf geeinigt, dass man niemanden zur Aufgabe seiner konfessionellen Überzeugungen zwingen und auch keine Vereinigung von Kirchen herbeiführen wollte, sondern lediglich eine Vereinigung einzelner Christen.
Die Gründung der Evangelischen Alllianz 1846 in London
Die Gründungsveranstaltung der Evangelical Alliance wurde der Londoner Kongress vom 19.8. bis 2.9.1846. Anwesend waren 920 Teilnehmer (786 aus GB, 87 aus Nordamerika, 11 aus Deutschland, 36 vom Rest der Welt) aus etwa 50 Denominationen. Es war das erste überdenominationelle Treffen des Protestantismus.
Man vereinbarte:
- Die wesentliche Einheit der Christen sichtbar zu gestalten.
- Ein theologisches Bekenntnis mit 9 Punkten als Basis der Allianz.
- Die Förderung eines allgemeinen geistlichen und informativen Austauschs zu diversen Themen.
- Die Gründung von Zweigvereinen zur Organisation dieser Einheit.
Im Abstand von 3-7 Jahren wurden in der Folgezeit in europäischen Großstädten Weltkonferenzen abgehalten.
Die Evangelische Allianz in Deutschland
In Deutschland lief die Evangelische Allianz etwas zögerlich an. Nur einzelne örtliche Vereine wurden gegründet, bis im September 1857 die 4.Weltkonferenz der Evangelischen Allianz in Berlin unter der Schirmherrschaft des preußischen Königs mit 1300 Teilnehmern stattfand. Hierbei ging es vor allem auch um die Frage der Religionsfreiheit für die evangelischen Freikirchen, die langsam in Deutschland Fuß fassten. Der deutsche Zweig gewinnt erst ab 1857 mit der Gründung des deutschen Zentralkomitees an Bedeutung. Als Organ entstand die Neue Evangelische Kirchenzeitung (1859-86). 1859 wurden die ersten Allianz-Gebetswochen in Deutschland durchgeführt und bis 1890 gab es in Deutschland mehrere regionale Allianzbünde, wie z.B. die Westdeutsche Evangelische Allianz (gegr. 1880).
Die Blankenburger Allianz
1886 lud die aus einer schottischen Familie stammende Anna von Weling zu einer Allianzkonferenz mit 28 Teilnehmern in das thüringische (Bad) Blankenburg ein. Die Teilnehmerzahl wuchs jährlich, so dass 1898 eine Halle für 650 Personen und 1906 eine Halle für 2000 Teilnehmer gebaut werden musste. Die Konferenzen hatten ein anderes Gepräge als alle sonstigen Allianztreffen in Deutschland. Es wurde viel Englisch gesprochen, die Weltmission war stark im Blickpunkt und man pflegte eine stärkere Distanz zur Volkskirche. Schon 1890 gründete Anna von Weling das Evangelische Allianzblatt, das in der Folgezeit immer wieder durch kirchenkritische Töne für Aufsehen sorgte. Der den Brüdergemeinden nahe stehende Dr. Baedeker wirkte hier prägend mit. 1898 trennte sich die Blankenburger Allianz offiziell vom gesamtdeutschen Zweig der Evangelischen Allianz. Man wurde stark von der Heiligungsbewegung erfasst, sprach sich aber 1907 sehr schnell gegen die aufkommende Pfingstbewegung aus. Erst nach dem zweiten Weltkrieg löste sich die unterschiedliche Prägung der Blankenburger Kreise und der anderen Allianzverbände langsam auf, so dass man wieder fusionierte.
Vor 1990 gab es zwei getrennte Einrichtungen, die „Evangelische Allianz in der DDR“ und die „Deutsche Evangelische Allianz e. V.“ mit Sitz in Stuttgart, die sich nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten ebenfalls wieder vereinigten, so dass seit 1991 der juristische Sitz der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg lag. Nach dem Auszug des Alten- und Pflegeheimbereichs, den es seit dem 2. Weltkrieg im Evangelischen Allianzhaus in Bad Blankenburg gab, wurde 2004 zur Nutzung von Synergieeffekten die bis dahin immer noch in Stuttgart ansässige Geschäftsstelle der Deutschen Evangelischen Allianz nach Bad Blankenburg verlegt.
- Generalsekretär: Hartmut Steeb
- 1. Vorsitzender: Jürgen Werth (Vorstandsvorsitzender von ERF-Medien)
- 2. Vorsitzender: Theo Schneider (Generalsekretär des Evang. Gnadauer Gemeinschaftsverbands)
Anliegen und Bereiche der Deutschen Evangelischen Allianz:
- jährliche Allianz-Gebetswochen im Januar
- Theologische Richtungsweisung (Arbeitskreis für evangelikale Theologie - AfeT)
- Impulse zur Evangelisation (ProChrist, Christival)
- Ring missionarischer Jugendbewegungen (RMJ)
- Christlicher Medienverbund KEP
- Christliche Internet-Arbeitsgemeinschaft (CINA)
- Eintreten für Religionsfreiheit
- CVJM, EC, Christlicher Studentenweltbund
- Evangeliumsrundfunk (ERF seit 1959)
- Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen (AEM)
- Institut für Islamfragen (Dr. Christine Schirrmacher)
- Idea-Nachrichtenagentur
- Weltweite soziale Hilfe (CFI, Hilfe für Brüder)
- SPRING - Gemeindeferienfestival
Internationale Verflechtungen
Die meisten nationalen Evangelischen Allianzen sind in der 1951 gegründeten World Evangelical Alliance (WEA) zusammengeschlossen. Da einige europäische Verbände mit der Formulierung der biblischen Irrtumslosigkeit in der Glaubensbasis Schwierigkeiten hatten (und lieber bei der 1846 verfassten ursprünglichen Glaubensgrundlage blieben), kam es zur Gründung der Europäischen Evangelischen Allianz (EEA, 1952 mit der Bundesrepublik Deutschland, Schweiz, Österreich, Dänemark, Norwegen und Schweden), welche erst 1968 in Lausanne in die WEA aufgenommen wurde (unter Beibehaltung der theologischen Vorbehalte). 1976 kam es zur Gründung des Fellowship of European Evangelical Theologians (FEET), welcher sich in bewusster bibelfreundlicher Haltung um die theologischen Fragen der evangelikalen Kirchen kümmern wollen. Heute sieht die Internationale Evangelische Allianz die Lausanner Verpflichtung von 1974 und das Manifest von Manila von 1989 auch als grundlegende Dokumente an.
Literatur:
Erich Beyreuther, Der Weg der Evangelischen Allianz in Deutschland (Wuppertal 1969); Joachim Cochlovius, Art. Evangelische Allianz, in TRE 10 (1982) 650-656; Einheit in der Vielfalt — Aus 150 Jahren Evengelischer Allianz (Wuppertal 1995); Hans Hauzenberger, Einheit auf evangelischer Grundlage (Gießen 1986); Friedhelm Jung, Die deutsche evangelikale Bewegung — Grundlinien ihrer Geschichte und Theologie (Bonn, 3.Aufl. 2001); Fritz Laubach, Aufbruch der Evangelikalen (Wuppertal 1972); Stimmen aus Bad Blankenburg (Moers 1991); Karl Heinz Voigt, Die Evangelische Allianz als ökumenische Bewegung (Stuttgart 1990); Was Evangelikale glauben (Wuppertal 1989); Rudolf Westerheide, EINS — Wie wir als Christen glaubwürdig werden (Wuppertal 2004); Zwischenbilanz — Evangelikale auf dem Weg zum Jahr 2000 (Stuttgart 1991), www.ead.de