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Internationale erweckliche Aufbrüche im 19. Jahrhundert

1. USA

In Nordamerika kam es von 1797-1805 zu einer zweiten großen Erweckungswelle (Second Great Awakening), die im Laufe des 19.Jhs. immer neue geistliche Aufbrüche hervorbrachte. Populär waren dabei so genannten camp-meetings, d.h. Zeltlager um mehrtägige (oder -wöchige) Evangelisationsveranstaltungen. Prägende Persönlichkeiten wurden Charles Grandison Finney (1792-1875) und Dwight L.Moody (1837-1899).

2. Großbritannien

In England ist gegen Ende des 18.Jahrhunderts ein großer Teil der anglikanischen Staatskirche durch den Methodismus geprägt. Daraus entsteht die Evangelical Party, die auch Low Church genannt wird. Diese englischen Evangelikalen machen heute ca. 50% der anglikanischen Kirche aus. Daneben verstärkt sich aber auch ein konservativ-liturgischer Flügel, die High Church und ein kleiner liberalen sozialaktivistischen Flügel, die Broad Church.

In Schottland prangerten ab 1797 die Brüder James (1768-1851) und Robert Haldane (1764-1842) die Missstände der schottischen Staatskirche an. Sie gründeten viele unabhängige Gemeinden, die sich kongregationalistisch nannten, d.h. die Einzelgemeinde war unabhängig von Staat und Kirche. Daran knüpfte kurze Zeit später Thomas Chalmers (1780-1847) an, ein genialer Theologieprofessor und Pfarrer, der gegen den Deismus vorging und auch auf sozialem Gebiet Entscheidendes erreichte. Damit widerlegte er den Vorwurf, als würden sich Evangelium und soziales Handeln widersprechen. Der schottische Erweckungsprediger wurde auch der Vater der Evangelischen Allianz, deren Vertreter er 1846 zur Gründungsversammlung nach London eingeladen hatte.

3. Der Réveil in der Schweiz

Réveil (sprich: Reewäi) ist das französische Wort für Erweckung und Fachbegriff für diese Bewegungen in der französischsprachigen Schweiz, in Frankreich und in Holland.
Die Erweckung in der Schweiz fand ihren Ausgangspunkt in Genf. Dort bildete sich Anfang des 19. Jahrhunderts ein kleiner Theologiestudentenkreis um Ami Bost (1790-1874), der sich zum Herrnhutertum bekannte. Unter der Verkündigung der exzentrischen Baronin von Krüdener wuchs diese Gruppe bis 1815 und wandte sich gegen den Rationalismus an der Genfer Fakultät. Zwischenzeitlich war auch der schottische Erweckungsprediger Robert Haldane nach Genf gekommen und legte dem Theologenkreis den Römerbrief aus. Die Erweckten waren gezwungen, eigene Kirchen in der Gegend von Genf aufzumachen, weil ihnen die Kanzeln verboten wurden. 1823 kam es zur Gründung einer eigenen theologischen Fakultät in Genf. Bald war die Trennung von der Kirche besiegelt und neue Freikirchen entstanden, besonders im Waadtland, wo der Prediger Alexandre Vinet (1797-1847) wegweisend wurde. Vinet betonte die Freiwilligkeitskirche gegenüber der Staatskirche und wurde damit zu einem Vorkämpfer der klassischen Freikirchen. Neben Genf kam es auch in Bern und Zürich zu erwecklichen Aufbrüchen, deren Anhänger aber innerhalb der reformierten Kirche blieben.

4. Der Réveil in Frankreich

Die Erweckung in Frankreich war durch Auswirkung der Genfer Ereignisse bewirkt worden. Henry Pyt und Ami Bost predigten in Südfrankreich und führten viele Menschen zum Glauben. Aber erst durch Adolphe Monod (1802-56) kam es in den 1830er Jahren zu einer echten Erweckungsbewegung in Frankreich. Monod hatte sich 1827 in Neapel bekehrt und wurde Prediger der reformierten Gemeinden in Lyon. In einem Streit um den rechten Abendmahlsgenuss kam es zur Trennung von der reformierten Gemeinde und zur Gründung der ersten freien Gemeinde in Lyon unter Monod. Später wirkte er als Pastor in Paris, vernachlässigte aber niemals die erweckliche Evangelisationspredigt. Auch er konnte Tausende zum Glauben

5. Die Niederlande

Unter reformiertem Einfluss stand auch die Erweckung in den Niederlanden, die durch den Universalgelehrten Willem Bilderdijk (1759-1831) angestoßen wurde. Bilderdijk war Jurist, Philosoph, Historiker, Dichter und Schriftsteller in einem. Er wandte sich gegen den zunehmenden Liberalismus an den Universitäten und in der Politik, ohne die höheren Stände erreichen zu können. Sein Schüler wurde Groen van Prinsterer (1801-76), der zusammen mit Isaac da Costa die Erweckung in Holland durchsetzte. Charakteristisch wurde hier die starke Betonung des Calvinismus, der mit der Erweckung zu einer neuen Blüte kam. Dabei waren die Einflüsse der Genfer Erweckungstheologen entscheidend. Unter Abraham Kuyper drang dieser Neocalvinismus später auch in die Politik ein. Er führte zu verschiedenen Spaltungen innerhalb der reformierten Staatskirche in Holland, aber auch zur Gründung von protestantischen Parteien und einer eigenen, bibeltreuen Hochschule in Amsterdam.

6. Skandinavien

In Schweden blieb die durch die Herrnhuter vorbereitete Erweckungsbewegung in lutherischen Bahnen. Karl Olof Rosenius (1816-68) wirkte dort als Missionsprediger, der die kirchenkritischen Kreise sammeln und einigen konnte.
In Norwegenbegann die Erweckung mit dem Evangelisten Nils Hauge (1771-1824), der als Laienprediger von Stadt zu Stadt zog. Auch er warnte vor einer Trennung von der Landeskirche, drängte den Rationalismus zurück und hatte Einfluss auf Politik und Wirtschaft. So verblieben auch die norwegischen Erweckten innerhalb der lutherischen Kirche, bildeten aber missionarische Vereine auf Ortsebene.
Auch Dänemark kannte eine Erweckungsbewegung. Zu nennen ist hier Pastor Severin Grundtvig (1783-1872), der eine große Bewegung hinter sich bringen konnte. Auch hier stand der Einfluss auf die Gesellschaft sowie Bekehrung und Wiedergeburt im Mittelpunkt der Verkündigung.
In Finnland wird der Bauer Paavo Ruotsalainen (1777-1852) zum Führer einer volkstümlichen Erweckungsbewegung, die breite Volksschichten erreicht.

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